Nächste Schritte zu einer unabhängigen Energieversorgung
Ausgangslage
Vor mittlerweile über einem Jahr hat das russische Regime seinen brutalen Angriff gegen die Ukraine gestartet. Während in der Ukraine gemordet wird und Bomben auf zivile Infrastruktur fallen, werden gegen Europa Energielieferungen als Waffe eingesetzt. Diese Situation hat auch die europäische Energieversorgung massiv unter Druck gebracht. Russland hat die Energiepreise massiv in die Höhe getrieben und versucht, uns mit ausbleibenden Erdgaslieferungen zu erpressen.
Wir haben im vergangenen Jahr rasch gehandelt – und eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt um die Gasversorgung zu sichern. Das Einspeichern von Erdgas über die strategische Reserve des Bundes und durch bessere Regeln für Unternehmen. Das entschlossene Einsparen von Erdgas. Die Reduktion der Abhängigkeit von Russland. Diese Schritte haben gewirkt: Die Speicherfüllstände nach der Heizsaison 2023 liegen bei rund 67 Prozent (im Vergleich zu 13 Prozent im Frühjahr 2022) und auch die Preise sind deutlich gesunken. Zudem ist der Anteil von russischem Erdgas in Österreich seit Ausbruch des Kriegs merklich zurückgegangenen. Trotzdem war die Versorgung während des gesamten Winters gesichert.
Allerdings ist die Situation weiterhin angespannt. So lange Österreich russisches Erdgas braucht, solange können wir mit diesen Lieferungen unter Druck gesetzt werden. Genau mit dieser Herausforderung beschäftigt sich eine Analyse der beiden Energieexperten DI Walter Boltz und Dr. Gerhard Roiss. Sie haben für das Klimaschutzministerium Vorschläge erarbeitet, wie Österreich bis 2027 unabhängig von russischem Erdgas mit Energie versorgt werden kann und welche Schritte es dabei zur Diversifizierung der Lieferungen braucht.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler: „Wir haben im letzten Jahr mit vielen Maßnahmen die Versorgung unseres Landes gesichert. Jetzt ist es Zeit für die nächsten Schritte. Denn echte Sicherheit bringt uns nur die Unabhängigkeit von russischem Erdgas.“
Maßnahmen im Überblick
Umfangreichere und klare Einspeichervorgaben für Unternehmen
Schon heute müssen Energieversorger für ihre geschützten Kund:innen Gasreserven einspeichern, um diese auch im Ernstfall versorgen zu können. Nun soll auch für das benötigte Gas in der Stromproduktion ein Polster aus nicht-russischem Erdgas in den heimischen Speichern angelegt werden. Diese Verpflichtung muss von den jeweiligen Unternehmen selbst übernommen werden und ergänzt die strategische Reserve des Bundes. In Kombination sorgen sie dafür, dass die heimischen Speicher zu Winterbeginn gut gefüllt sind, diese Gas österreichischen Endkund:innen gesichert zur Verfügung steht und damit kurzfristige Lieferengpässe leichter bewältigt werden können. Diese Maßnahme unterstützt außerdem den Aufbau von Lieferbeziehungen zu Lieferanten von nicht-russischem Erdgas. Soweit erforderlich sollte der Staat diese Einspeicherung durch teilweise Förderung der Transport- und Speicherkosten unterstützen.
Sicherung der Transportkapazitäten für nicht-russisches Erdgas
Für eine nachhaltige Diversifizierung der Gasversorgung braucht es entsprechende Transportkapazitäten und Lieferländer. Österreich sollte aus diesem Grund daran arbeiten, entsprechende Gasmengen der OMV in Norwegen und Rumänien zu sichern. Dazu gehört auch die Buchung der Transportkapazitäten aus Norden und Süden durch eine von der Bundesregierung beauftrage Gesellschaft. Damit würde sichergestellt, dass jederzeit ausreichend Kapazitäten für den Import zur Verfügung stehen. Dazu gehört auch der notwendige Ausbau der Infrastruktur, wo das erforderlich ist. Das betrifft besonders auch die Pipeline aus Deutschland (Umsetzung WAG-Loop). Bei all diesen Maßnahmen muss berücksichtigt werden, dass mittelfristig auch der Import von grünem Wasserstoff möglich wird und so der Erneuerbaren-Anteil steigt.
Zeitlich befristete Übertragung des OMV-Gasgeschäfts in die ÖBAG
Gleichzeitig muss bei den genannten Schritten ein effizienter Einsatz von Steuergeld im Vordergrund stehen. Förderungen dürfen nicht dazu dienen, den Gewinn von privaten Unternehmen zu erhöhen. Deshalb schlagen die Experten vor, das Gasgeschäft der OMV mit Ausnahme der bestehenden Gazprom-Verträge mit ihren rund 200 wichtigen und hochqualifizierten Mitarbeiter:innen aus der OMV herauszulösen und zeitlich-befristet in das Eigentum der ÖBAG zu übertragen. Damit bekommt der Staat den notwendigen Einfluss auf die Beschaffung des in Österreich verkauften Erdgases und kann Sorge tragen, dass die Diversifizierung mit der notwendigen Geschwindigkeit vorangeht und ein staatlicher Versorgungsauftrag erteilt werden kann.
Ausbau der Erneuerbaren Energien stärkt die Unabhängigkeit
Neben diesen wichtigen Maßnahmen zur Diversifizierung der Gasversorgung ist auch die Erhöhung der Produktion von heimischer, erneuerbarer Energie ein zentraler Baustein für mehr Unabhängigkeit. Energie, die inländisch produziert wird, verursacht keinen Importbedarf und stärkt so auch die Widerstandsfähigkeit unseres Landes in Zeiten globaler Krisen. Dazu soll in Österreich auch weiterhin der Ausbau der Erneuerbaren Energien mit großem Nachdruck vorangetrieben werden. Das betrifft neben dem Ziel, den gesamten Stromverbrauch übers Jahr bis 2030 aus erneuerbarer Energie zu erzeugen besonders auch den Ausbau der heimischen Biogasproduktion. Darüber hinaus gilt es bei allen folgenden Schritten im Bereich der Gas-Infrastruktur zu berücksichtigen, dass diese auch für die Nutzung von Wasserstoff geeignet sind.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler: „Ich werde in den kommenden Wochen alle Beteiligten zu Gesprächen einladen. Wir brauchen einen gemeinsamen Plan für den Ausstieg aus russischem Erdgas. Da sind die Energieversorger genauso gefordert, wie die Politik. Wir dürfen diese Frage nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich will eine gute und breit getragene Entscheidung treffen, die wir dann entschlossen umsetzen.“
Nächste Schritte
Die vorgeschlagenen Maßnahmen lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen umsetzen. Klar ist: Die Abhängigkeit von russischem Erdgas ist eine Gefahr für Österreich. Sie bringt wirtschaftliche Risiken für unser Land, führt aber auch dazu, dass österreichische Unternehmen Monat für Monat Geld in die russische Kriegskassa überweisen.
Über den Umgang mit dieser Gefahr braucht Österreich eine gesamtgesellschaftliche Diskussion. Denn bedeutende Entscheidungen sollen auf Basis einer informierten Debatte getroffen werden. Wir werden daher das Gespräch mit Expert:innen und den politischen Parteien suchen um diese Fragestellungen zu diskutieren.
Darüber hinaus haben die Energieversorgungsunternehmen eine wichtige und verantwortungsvolle Rolle. Auch mit ihnen wird Klimaschutzministerin Leonore Gewessler über ihre jeweiligen Ausstiegspläne aus russischen Energielieferungen beraten.
Ehemaliger E-Control-Vorstand und Energieexperte DI Walter Boltz: „Trotz momentan guter Versorgungssituation müssen wir uns auf mögliche Engpässe in den nächsten zwei bis drei Jahren vorbereiten.“
Ehemaliger OMV-Vorstandsvorsitzender und Energieexperte Dr. Gerhard Roiss: „Wir sollten nicht hoffen, weiter mit russischem Gas beliefert zu werden, sondern handeln, um von russischem Gas unabhängig zu werden.“