Klimacheck: Ergebnisse ASFINAG-Bauprogramm liegen vor
Die Lobau-Autobahn wird nicht weiterverfolgt, für den Nordabschnitt der S 1 werden Alternativen geprüft. Auch die S 34 wird nicht in der geplanten Form umgesetzt.
Im vergangenen Jahr hat Klimaschutzministerin Leonore Gewessler eine Evaluierung des sogenannten ASFINAG-Bauprogramms beauftragt. Alle geplanten Neubauprojekte wurden dabei auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft. Das betrifft ganz besonders die großen Herausforderungen vor denen wir heute stehen: Dem Klimaschutz und der Schutz unserer wertvollsten Böden. Jetzt liegt wie geplant ein Ergebnis der Evaluierung vor.
Klimaschutzministerin Gewessler hat heute, Mittwoch, die Ergebnisse einer umfangreichen Überprüfung der größten in Österreich geplanten Straßenprojekte präsentiert. Expertinnen und Experten des Klimaschutzministeriums und der ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft) sowie externe Wissenschafterinnen und Wissenschafter des Umweltbundesamts unterzogen das sogenannte ASFINAG-Bauprogramm in den vergangenen Monaten einem eingehenden Klimacheck.
„Unsere Kinder werden uns in zwanzig oder dreißig Jahren Fragen: Was habt ihr gemacht, um das Klima zu retten? Und dann will ich sagen – wir haben mutige Entscheidungen getroffen. Genau das tut der Klimacheck für das ASFINAG-Bauprogramm. Wir brauchen den Mut heute Entscheidungen zu treffen, die auch morgen noch vernünftig sind“, betont Gewessler.
Neue Straßenprojekte wurden individuell auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft. Neben bekannten Kriterien wie der Verkehrssicherheit, der Verkehrsplanung sowie wirtschaftlichen und regionalen Bedürfnissen standen dabei erstmals auch der Schutz von Klima und Umwelt sowie die Eindämmung des Bodenverbrauchs im Zentrum. Die wichtigsten Erkenntnisse lauten:
- Die Lobau-Autobahn mit ihrem Tunnel durch ein Naturschutzgebiet wird nicht weiterverfolgt.
- Für den Nordabschnitt der S 1 werden Alternativen geprüft, um den geänderten Anforderungen im Zusammenhang mit den Gerichtsentscheidungen zu S 8 Folge zu tragen.
- Die S 34 wird nicht in der geplanten Form umgesetzt – gemeinsam mit dem Land Niederösterreich sollen bessere Alternativen erarbeitet werden, die die Bevölkerung vom Stau entlasten und wertvolle landwirtschaftliche Flächen erhalten.
- Wenn die Stadt Wien den Bau der Stadtstraße weiter vorantreibt, wird auch die ASFINAG die für den Wohnungsbau notwendigen Abschnitte der Spange errichten
Die ASFINAG wird nun ein neues Bauprogramm erstellen und mit dem Klimaschutzministerium abstimmen. Alle bereits begonnenen Bautätigkeiten und Sicherheitsausbauten werden wie geplant weiterverfolgt.
Lebensqualität vor Verkehrsquantität
In Zukunft wird sich das Bauprogramm neben rein verkehrlichen Aspekten auch an den Klimazielen, den Bodenverbrauchszielen und den Zielen einer klimafreundlicheren Mobilität orientieren. Moderne und gute Verkehrsplanung soll den Menschen mehr Lebensqualität bringen, anstatt einfach Bestehendes fortzuschreiben.
Ausführliche Analysen ergaben, dass der Ausbau des Straßennetzes stets zu mehr Verkehr führt. Klimaschädliche Treibhausgase steigen dadurch ebenso wie oftmals die Belastung durch Lärm und Stau. Eingriffe in sensible Ökosysteme müssen auch im Sinne der abnehmenden Artenvielfalt mit besonderer Vorsicht betrachtet werden. Ausufernde Bodenversiegelung zerstört landwirtschaftliche Flächen und ist nicht zuletzt im Hinblick auf die zunehmenden Extremwetterereignisse ein großes Problem.
Die Lobau-Autobahn würde durch ein äußerst sensibles Naturschutzgebiet führen, beim Bau des Tunnels wären massive Eingriffe in die unberührte Artenvielfalt zu erwarten. Von allen Projekten, die analysiert wurden, hat die Lobau-Autobahn den höchsten Bodenverbrauch. Zudem verursacht der Bau von Tunnels viermal so viele klimaschädliche CO2-Emissionen wie der Bau von normalen Straßen. Auch die erwartete Verkehrszunahme ist besonders hoch.
Aus diesem Grund kommt die Evaluierung zum Schluss, das Projekt Lobau-Autobahn nicht weiterzuverfolgen. Es geht um Milliarden von Steuergeldern, seit Beginn der Planungen vor rund 30 Jahren haben sich die Rahmenbedingungen umfassend verändert. Um gute alternative Mobilitätsangebote sicherzustellen, wird das Klimaschutzministerium gemeinsam mit der ÖBB den Ausbau der S-Bahn rasch vorantreiben.
Der Nordabschnitt der S 1 steht in engem Zusammenhang mit dem Bau der Lobau-Autobahn sowie mit der S 8 und wird in der geplanten Form ebenfalls nicht umgesetzt. Die ASFINAG wird hier keine Baumaßnahmen vornehmen. Vielmehr werden bessere Alternativen geprüft und geplant, die auch auf die weitere Entwicklung des Verfahrens bei der S 8 und die betroffenen Anrainerinnen und Anrainer Rücksicht nehmen.
Die Spange als Verlängerung der von Wien geplanten Stadtstraße hängt eng mit der Umsetzung zahlreicher Wohnbauprojekten zusammen. Sollte sich die Stadt entschließen, die Straße zu errichten, wird auch die ASFINAG ihren Teil der Vereinbarung erfüllen und diesen Abschnitt des Projekts weiterverfolgen.
Die S 34 ist ein seit Jahrzehnten geplantes Straßenprojekt in Niederösterreich. Es verläuft durch ein Gebiet mit sehr hochwertigen, landwirtschaftlich genutzten Böden und würde viele dieser Flächen langfristig versiegeln. Zudem wurde vom Rechnungshof mehrmals kritisiert, dass im Bundesstraßengesetz Straßen mit überwiegend regionaler Bedeutung geführt werden, die nicht vom Bund umzusetzen wären. Aus diesen Gründen wird das Projekt S 34 in der geplanten Form nicht weiterverfolgt, das Klimaschutzministerium wird gemeinsam mit dem Land Niederösterreich rasch bessere Alternativen erarbeiten.
Die S 8 ist ein vor Jahrzehnten geplantes Straßenprojekt, das durch eine sensible Naturlandschaft verläuft und dabei auch einen hohen Bodenverbrauch aufweist. Zudem verläuft die Route der S 8 durch das Brutgebiet des streng geschützten Triels und würde dessen Bestand ernsthaft gefährden. Die Umweltverträglichkeit muss nun nochmals, deutlich ausführlicher, geprüft werden.
Durch das laufende Verfahren erleidet das Projekt jedenfalls eine deutliche Zeitverzögerung – es ist unsicher, ob es in der bestehenden Form überhaupt rechtskonform realisiert werden kann. Um die Entlastung der massiv belasteten Gemeinden sicherzustellen, wird das Klimaschutzministerium daher rasch die Prüfung von besseren Alternativen vorantreiben. Sowohl am niederrangigen Straßennetz als auch im Öffentlichen Verkehr sollen Alternativen geplant werden, die die Artenvielfalt schützen und eine Verbesserung der Verkehrssituation sicherstellen.
- A 5 Weinviertelautobahn (2. Realisierungsstufe)
Die A5 stellt den letzten Abschnitt einer hochrangigen Verbindung zwischen Österreich und Tschechien dar und ist als solche auch in der TEN-V Verordnung der EU-Kommission gelistet. Hochrangige Verbindungen gemäß dieser Verordnung sind jedoch nicht notwendigerweise Autobahnen oder Schnellstraßen, sondern können auch über adäquate andere Straßen umgesetzt werden. Auf tschechischer Seite ist aktuell kein unmittelbarer Baubeginn geplant. Im Einklang mit den Empfehlungen des Rechnungshofes, Straßen nur dann auszubauen, wenn auch im Nachbarstaat Baumaßnahmen geplant sind, wird die ASFINAG hier weiterhin keine unmittelbaren Maßnahmen setzen. Diese sind aufgrund der Verkehrssituation aktuell auch nicht erforderlich. - A 3 Südost-Autobahn
Die Evaluierung konnte bereits vorab abgeschlossen werden. Das Projekt mit einem sehr hohen Bodenverbrauch wird nicht weiterverfolgt. Das Klimaschutzministerium arbeitet gemeinsam mit dem Land Burgenland an besseren und rascher umsetzbaren Alternativen. - A 12 Tschirganttunnel
Im Zusammenhang mit dem Tschirganttunnel läuft aktuell eine umfangreiche Verkehrsuntersuchung der ASFINAG. Die Ergebnisse der Untersuchung sind abzuwarten, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden. - Waldviertelautobahn
Bereits vergangenes Jahr wurde von Klimaschutzministerium und Land Niederösterreich vereinbart, das Projekt nicht weiterzuverfolgen. Anstatt einer besseren Anbindung würde die Autobahn zu einer massiven Erhöhung des Transitverkehrs führen. Stattdessen wird der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs noch intensiver vorangetrieben und wo notwendig niederrangige Alternativen errichtet. - Osttangente Linz
Vom Land wurde die strategische Prüfung Verkehr beantragt. In dieser Prüfung werden umfangreich auch Alternativen und Auswirkungen auf Klima und Umwelt geprüft. Das Ergebnis der SPV wird abgewartet. - S 3 Weinviertel-Schnellstraße
Die S 3 Weinviertel-Schnellstraße ist ähnlich wie die A5 eine Verbindung ins Nachbarland Tschechien. Auch hier ist auf tschechischer Seite aktuell kein Baubeginn absehbar – die ASFINAG wird deswegen weiterhin keine Baumaßnahmen setzen. - S 10 Mühlviertel-Schnellstraße
Die Evaluierung konnte aufgrund der umfangreichen Vorarbeiten bereits abgeschlossen werden. Das Projekt wird weiterverfolgt. In einem Runden Tisch wurde von der ASFINAG gemeinsam mit den betroffenen Gemeinden weitere Verbesserungen zum Schutz der Umwelt vereinbart. - S 18 Bodensee-Schnellstraße
Im Zusammenhang mit der Evaluierung der Bodensee-Schnellstraße hat der Nationalrat mit einem von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS unterstützten Entschließungsantrag eine umfassende Evaluierung inklusive Alternativenprüfung vom Klimaschutzministerium gefordert. Dabei soll insbesondere eine mögliche Verbindung von A13 und A14 bei Dipoldsau geprüft werden. Diese Arbeiten laufen aktuell. - A 22 Donauufer-Autobahn
Seit über zehn Jahren gibt es keine Planungsaktivität aufgrund geänderter Rahmenbedingungen. Die Verlängerung der Donauufer-Autobahn war bereits in der Vergangenheit nicht mehr im ASFINAG-Bauprogramm vorgesehen. Das Projekt wird auch künftig nicht weiterverfolgt. - S 36 Murtal-Schnellstraße
Die Evaluierung konnte bereits vorab abgeschlossen werden. Um die regionalen Ortskerne zu entlasten und die Verkehrssicherheit zu erhöhen, wird der Lückenschluss weiterverfolgt. Die ASFINAG wird in einem Runden Tisch weitere Verbesserungen vornehmen und anschließend ein Projekt zu UVP einreichen. Die Anbindung zur S37 wird nicht weiterverfolgt. - S 37 Klagenfurter Schnellstraße
Die Evaluierung konnte bereits vorab abgeschlossen werden. Das Projekt würde eine neue Transitroute durch Kärnten schaffen und gleichzeitig massive Eingriffe in wertvolle Böden verursachen. Der Neubau wird nicht weiterverfolgt. Die Sicherheitsmaßnahmen am bereits errichteten Abschnitt werden selbstverständlich rasch umgesetzt. - Kapazitätserweiterungsprojekte – Fahrstreifenzulegungen
Für Kapazitätserweiterungsprojekte soll in Zukunft vorab geprüft werden, ob nicht andere Mittel auch ausreichend sind, um eine Verbesserung der Verkehrssituation zu erreichen. Das betrifft den Einsatz von Verkehrsbeeinflussungsanlagen oder andere verkehrliche Maßnahmen genauso wie die Verkehrsverlagerung auf bessere Alternativen. Zudem läuft aktuell ein Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht, das klärt, ob solche Projekte gemäß UVP-Richtlinie der EU einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Dies war bisher nicht der Fall.